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Von einem, der auszog...


von Peter Kohlstruk



Lange hatte die Sonnenfinsternis uns im voraus beschäftigt. Was fehlt noch an Ausrüstung? Was ist die richtige Belichtungszeit? Und dann natürlich in den Tagen unmittelbar vor dem großen Ereignis die Frage: Wie wird das Wetter? Werden wir überhaupt etwas davon sehen, außer, daß es dunkel wird?

Nachdem es in den Tagen vor der Sonnenfinsternis morgens immer bewölkt war oder sogar geregnet hatte, spitzte sich diese Frage immer mehr zu. Am 10. August verbrachte ich Stunden am PC, um die aktuellsten Vorhersagen zu haben. Für München sagten sowohl der DWD als auch "Das Erste" nur geringe Chancen voraus, die Sonne zu Gesicht zu bekommen.

Was tun? Saarbrücken galt als heißer Tipp, im Chiemgau sollte die Chance zumindest besser sein als in München. Da wollte es der Zufall, daß ich mit jemandem telefonierte, der mir erzählte, seine Bekannten von der Volkssternwarte München würden nach Ungarn fahren. Das hatte ich gar nicht erwogen, aber der DWD sagte über achtzig Prozent Sonnenscheinwahrscheinlichkeit für Ungarn voraus.

Als meine Frau Therese aus dem Büro kam (sie hatte für den nächsten Tag Urlaub genommen), war das Wetter erstes Gesprächsthema. "Es fahren Leute nach Ungarn, jetzt noch" berichtete ich. Sie schaute mich prüfend an, dann sie kennt mich und als ich meinte, man könnte doch vielleicht..., bezeichnete sie das als "spinnerte Idee". Aber dann konnte sie sich mit dem Gedanken doch anfreunden und so brachen wir am Mittwoch nachts um Viertel nach zwei auf.

Auf der Höhe von Linz begann es zu dämmern. Der Himmel war eine Musterschau von Wolkenformationen. Keine zehn Quadratgrad glichen den anderen, aber blauer Himmel war nicht dabei. Und auch weiter im Osten erstreckte sich eine geschlossene Wolkendecke, außer ganz am Südhorizont. Dahin wollten wir.

Bei Györ verließen wir die Autobahn nach Süden Richtung Plattensee. Die bis dahin recht eintönige Landschaft östlich Wiens wurde zusehends lieblicher, bewaldete Hügel mit Burgen oder Klöstern und für ein ehemaliges Ostblockland hübsche Dörfer. Die Verkehrsdisziplin allerdings ließ, wie allgemein im ehemaligen Ostblock, sehr zu wünschen übrig. Drei schwere Unfälle sahen wir an unserer Straße, die sich offenbar jeweils kurz zuvor ereignet hatten. Nicht auszudenken, daß wir in einen Unfall verwickelt würden, dazu ohne ein Bröckchen Sprachkenntnisse in Ungarisch.

Der Himmel verbesserte sich mit jedem Meter, den wir Richtung Süden vorankamen. Ich sah mehrere schöne Beobachtungsplätze, freier Blick nach Süden, nach Westen abfallendes, freies Gelände. Aber bei Balatonfüred traf die Zentrallinie der Finsternis auf den Plattensee, dahin wollte ich.

Wir landeten um 10 Uhr bei Csopak auf einem nach Südwesten abfallenden Hang mit Blick auf den Plattensee, der ca. 100m tiefer und 1km entfernt lag. Zuerst wurden die Geräte aufgestellt, dann gefrühstückt. Die Sonne schien so kräftig, daß wir froh um jeden Fleck Schatten waren, in dem wir den Beginn der Finsternis abwarten konnten.

Alles lief wunderbar, die Bedeckung begann, und ich machte natürlich schon mehr Photos als geplant. Dann aber bildete sich über uns ein ausgedehntes, wenn auch lockeres, Feld von Stratusbewölkung (Schäfchenwolken). Das beeinträchtigte die Sicht zunehmend. Unsere Hoffnung setzten wir auf eine größere Wolkenlücke, aber die tat uns den Gefallen nicht. Als die Totalität begann, stand die Sonne mitten zwischen den Wolken. Der Diamantring erschien, dann war alles verschwunden. Eine doppelte Finsternis konnte man das nennen. Am gegenüberliegenden Seeufer und in größerer Entfernung auch auf unserer Seite war der Himmel klar. Dadurch hatten wir den herannahenden Mondschatten und dann den hellen Horizont wunderbar sehen können. Auffallend war die Stille, unterbrochen nur von Entzückensrufen der wenigen Beobachter im weiteren Umkreis. Die Schwalben hatten sich alle auf den elektrischen Freileitungen versammelt.

Da standen wir nun und blickten enttäuscht in den dunklen Himmel, und plötzlich war der leuchtende Ring der Korona zu sehen! Er war nicht sehr ausgedehnt, ca. ½ Sonnendurchmesser stark, aber ein beeindruckendes Bild gab es auch so. Schnell machte ich einige Aufnahmen mit dem Refraktor, mein geplanter Ablauf war natürlich hinfällig. Und bevor ich auch nur einen Blick durch das Teleskop werfen konnte, erschien wieder der erste Sonnenstrahl. Wie lange nun die Phase der Wolkenbedeckung dauerte und wie lange die verdunkelte Sonne zu sehen war, kann ich schwer schätzen. Ich nehme an, daß wir vielleicht eine Minute "Blackout" hatten.

Photos von der äußeren Korona konnte ich so gar nicht machen, trotz der zusätzlichen Lichtdämpfung durch die Wolken sind die Bilder der inneren Korona mit Protuberanzen aber ganz gut gelungen. Wenn auch die Hauptsache kein voller Erfolg war, haben wir doch einen nachhaltigen Eindruck und einige Erinnerungsfotos mitgenommen. Außerdem hat Therese ein kurzes Video aufgenommen, das einen guten Eindruck von dem Ereignis gibt.

Nachzutragen bleibt, daß zehn Minuten später wieder die Sonne aus ungetrübtem Himmel schien. Gegen zwei Uhr traten wir die Rückreise an und waren gegen 22 Uhr ziemlich erschöpft wieder daheim.